
Das Riquethaus
In Bauakten und Adressbüchern geblättert
in: Leipziger Blätter Nr. 84, Frühjahr 2024, S. 16-19
Für diesen Artikel recherchierte ich in der Sekundärliteratur, vor allem aber in meiner Lieblingsquelle, den Akten des Bauordnungsamtes, nach Geschichten rund um das Riquethaus – und wurde fündig.
Leseprobe
Unter der Leitung des Leipziger Architekten Paul Lange begannen 1907 die ersten Vorplanungen für den Umbau des Hauses in einer der „zukunftsreichsten Straßen“, wie die Zeitgenossen überzeugt waren. Was in den nächsten zwei Jahren vor den Augen der Leipziger Bürgerschaft entstand, sollte zu einer weiteren Sehenswürdigkeit der Messestadt werden. Als Geschäfts- und Messehaus für die gefragten überseeischen Artikel und die Spezialitäten aus eigener Produktion der Riquet Schokoladenfabrik geplant, zieht das Gebäude auch heute noch die Blicke auf sich. Angelehnt an die klassische asiatische Baukunst, entschied sich der Architekt für einen pagodenhaften Dachaufbau und eine außergewöhnlich farbenprächtige Fassadengestaltung. Geprägt wird das Gebäude von mächtigen Pfeilern aus bayrischem und schwedischem Granit, den hohen Räumen im Erdgeschoss, der großzügigen Galerie. Und überall finden sich Jugendstildetails, die sich überraschend harmonisch in die asiatisch anmutenden Formen integrieren. Die kupfergetriebenen, lebensgroßen Elefantenköpfe zu beiden Seiten der Eingangstür sind auch im 21. Jahrhundert noch eines der liebsten Fotomotive bei den Menschen, die die Stadt besuchen.
Am 5. Juli 1909 erfolgte die Geschäftseröffnung des Eckladens im Erdgeschoss für das so genannte Detailgeschäft der Riquet & Co. AG. Die Räume in den übrigen Stockwerken wurden als Messeräume nur während der Messen genutzt. Den elektrischen Fahrstuhl für die Ausstellenden und ihre Waren bediente der Markthelfer.
Hoch über dem Verkaufsraum, in der vierten Etage, befanden sich außerdem, neben einem Schreibmaschinenbüro, eine Plättstube sowie die Hausmannswohnung, denn: „Bei den verschiedenen Mietern, die in den Geschossen zusammenkommen, ist es nicht angängig, diese ohne einen männlichen Schutz zu lassen. Die Wach- und Schließgesellschaft schickt ihre Leute nur ab und zu, während der Hausmann jederzeit nach dem Rechten sehen kann.“
Und auch das Bauordnungsamt achtete darauf, dass im Haus alles nach Vorschrift funktionierte. So waren zur „Ingangsetzung und Abstellung des Fahrstuhls nur besonders beauftragte und gehörig unterwiesene männliche nicht unter 18 Jahre alte Personen, die mit der Einrichtung des Aufzuges sowie mit den Betriebsvorschriften genau vertraut sind“, zugelassen. Für die Mieter stellte diese Regelung kein Problem dar. Sie bedienten den Aufzug selbst. Mieterin Elly Kronfeld musste als Frau und Inhaberin des Schreibmaschinenbüros entweder die Treppe benutzen oder „… eine den Betriebsvorschriften entsprechende Person“ um Hilfe bitten.
Die Leipziger Blätter sind im Handel erhältlich.
ISBN 978-3-95415-156-1
